Genieße deine Kinder – sie werden so schnell groß! Diesen Spruch bekomme ich immer wieder zu hören, von Leuten, deren Kinder schon groß sind. Insbesondere von meiner Mutter, deren Kinder viel zu schnell groß geworden sind. Und oh ja, ich genieße meine Kinder wirklich in vollen Zügen. Wenn Mini-Me alle fünf Minuten zu mir gehüpft kommt und mir einen Kuss auf die Backe drückt, weil sie mich so lieb hat, dann wird mein gesamter Körper von Liebe durchströmt und das genieße ich sehr. Oder wenn ich mit ihr lache, weil sie lustige Fragen stellt, zum Beispiel, was denn in dem Karton drin sei, der rappelt wenn ich bis drei zählen muss, dann freue ich mich über die gekonnt entschärfte Situation und genieße das sehr. Ich bin auch unheimlich stolz und genieße es, wenn sie mir unbedingt von ihren drei Gummibärchen eines abgeben will, weil ich auch eines haben soll und könnte dieses großzügige Kind abknutschen, denn es ist ihr egal, dass sie jetzt nur noch zwei Gummibärchen hat.
Wenn Mini-Man auf mich zugewackelt kommt und mir stolz zeigt, dass ein Schwein grunzt, ein Hund wau wau und ein Auto tut tut macht, dann erfüllt sich mein Herz so sehr mit inniger Liebe, dass ich gar nicht anders kann als genießen. Und wenn er jedes Mal erfreut in die Hände klatscht und sich selbst applaudiert, wenn er einen Stapelbecher auf den anderen stellt ohne dass der Turm umfällt, dann klatsche ich auch ganz fest in meine Hände und genieße es sehr. Und ich genieße es unendlich, wenn ich mit beiden Kindern kuschelnd auf der Couch liege und sich ihre süßen, beschützenswerten, kleinen Körper an mich schmiegen. Dann ist alles gut und genießen ist eigentlich gar kein Ausdruck.
Wenn Mini-Man beschließt, selbst essen zu wollen, da er mit 15 Monaten schon groß ist, dann ganz klar, genieße ich das und unterstütze ihn, weil ich eine gute Mutter sein will und gute Mütter ihre Kinder in ihrer Selbstständigkeit unterstützen. Hilf mir, es selbst zu tun, mach ich, genießend. Wenn er nach 30 Sekunden seinen Löffel samt daran klebenden Früchtebrei hinter sich schmeißt und mit den Händen weiter isst, dann weiß ich, dass ich mich darüber freuen muss, denn er hat das selbst entschieden und is(s)t demnach ziemlich selbstständig. Und auch wenn der Brei auf dem ganzen Tisch, seinem Stuhl, seinen Haaren, seinen Pulliärmel, dem Boden und überall, und ich meine wirklich überall landet, nur nicht in seinen Mund und er dorthin lieber den Inhalt meines Glases befördert und sich an dem so sehr verschluckt, dass er sich und sein gesamtes Umfeld klatschnass macht, Früchtebreistückchen inklusive, dann genieße ich seine tolle Entwicklung und freue mich, dass er nicht erstickt ist. Und dass ich ihn vor dem Essen gerade gebadet habe (try and error), ach, was solls. Ich genieße das schließlich.
Und wenn Mini-Me morgens um 6:15 neben meinem Bett steht, obwohl sie nach Skikurs und Kindergeburtstag und damit verbundenen späten Ins-Bett-Gehen am Vortag eigentlich noch im komatösen Schlaf liegen müsste, dann na gut, genieße ich das. Denn sie hüpft zu mir ins Bett und kuschelt sich an mich und da kann ich gar nicht anders als das genießen, obwohl ich wirklich sehr sehr müde bin. Wenn ich kurz darauf ihre Knie und Ellbogen in meinen Weichteilen spüre, da mit ihr zusammen auch ihr Kompagnon, die Zappelphilippa, wachgeworden ist, dann genieße ich das natürlich auch, ist ja mein Kind und mein Kind soll ich genießen, sagen die Leute. Und wenn ich mich zwei Minuten später aus dem schönen, warmen und nach mir rufenden Bett quälen und mit ihr aufs Klo gehen muss, weil sie sich plötzlich alleine nicht mehr traut, dann naja, bemühe ich mich sehr, das voll und ganz zu genießen. Auch wenn sich Mini-Me um 6:20 Uhr auf den Boden schmeißt, da ich es gewagt habe, ihr das Handtuch zum Händeabtrocknen zu reichen, obwohl sie es sich selber nehmen wollte, atme ich nur kurz ein bisschen tiefer, aber insgeheim genieße ich diesen Trotzmoment mit jeder Faser meines Körpers und frage mich, warum mir Leute immer wieder sagen, ich soll meine Kinder genießen, obwohl das doch das natürlichste und einfachste und selbstverständlichste überhaupt ist und ich keinen blassen Schimmer habe, warum diese Leute annehmen, dass ist das nicht jede verdammte Sekunde lang tue.
Die haben wirklich keine Ahnung, diese Leute.
Herrlich!! Ich liebe sie auch, diese „Sie sind so schnell aus dem Haus“ Sprüche, mit denen man mich dazu bringen will, durchwachte Nächte zu „genießen“…
😊 Jaaa, das mit dem „Selbst essen wollen“ kenne ich zu gut. Aber das ist okay. Das genieße ich auch und bin stolz, dass inzwischen mehr im Mund als sonst wo landet. Nur dass jeder, wirklich JEDER Becher ausgekippt werden muss, das kann ich NICHT genießen! Aber ansonsten genieße ich mein Kind in vollen Zügen!
Toll, was wir alles genießen dürfen, oder? Ich hab mich köstlich amüsiert, hab deinen Artikel wirklich genossen! 😛
LG Mel
zu schön.
🙂 In der Tat. Die scheinen keine Ahnung zu haben… Früchtebrei ziert die Wand auch ungemein. Nennen wir es Kinderkunst und genießen es. Sehr schön geschrieben!